Cannabis als Medizin
Geschichte und Geschichten
Wer nach den Ursprüngen von Cannabis sucht, muss weit in die Vergangenheit zurückblicken und in ferne Kontinente reisen. Begleiten Sie uns auf einer vergnüglichen und informativen Reise durch die Geschichte von Cannabis. Wir werfen einen Blick auf Kulturen, Menschen und Geschichten und schauen uns an, welche Rolle die oft als magisch beschriebene Pflanze bis heute spielt – vor allem in der Medizin.
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Artikel veröffentlicht am: 12.03.2019
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Hanf – eine der ältesten Kulturpflanzen überhaupt
Cannabis ist eine kulturbegleitende Pflanze, die in der Menschheitsgeschichte schon immer eine wichtige Rolle innehatte. Bereits in der Jungsteinzeit, als sich vor 10.000 Jahren der Wandel von einer Kultur der Jäger und Sammler hin zu einer der Ackerbauern und Viehzüchter vollzog, gehörte Hanf zu den ersten kultivierten Pflanzen. Cannabis lieferte stabile Fasern für Netze und andere Behältnisse und wurde wegen seiner ölhaltigen, nahrhaften Samen geschätzt.
Cannabis – ein Gewächs mit zentralasiatischen Wurzeln
Als Wiege der wilden Urform des Cannabis wird Zentralasien vermutet – insbesondere das Altaigebirge, wo heute China, Mongolei und Russland zusammentreffen. Die ersten kultivierten Anbauflächen waren vor allem in Mesopotamien zwischen Euphrat und Tigris (Teile von Syrien und Irak) sowie im ägyptischen Nildelta und in China zu finden.
Hanf – heiß begehrt und vielseitig verwendet
Hanf war schon in der vorchristlichen Menschheitsgeschichte ein begehrter Grundstoff. Das lag vor allen Dingen an seiner Vielseitigkeit. Die einfach anzubauende Pflanze diente den verschiedensten Zwecken. So waren ihre reißfesten Fasern das ideale Material zur Herstellung von Segeltuch, Takelwerk, Seilen und Tauen. Überhaupt scheint Hanf ein wahres Multitalent – kaum ein Zweck, dem er nicht diente. Auch Fischernetze und strapazierfähige Kleidung wurden aus Hanf gefertigt. Nicht zuletzt bereicherten Hanfsamen als Öl den Speiseplan. In China stellte man bereits ein halbes Jahrtausend vor Christus Papier aus der Hanffaser her. Welche Bedeutung Hanf in China hatte, lässt sich unter anderem daran ablesen, dass Steuern zu jener Zeit in Form von Hanf zu entrichten waren.
Cannabis – Teil von Ritualen und Zeremonien
Hanf diente schon zu jener Zeit keineswegs nur profanen Dingen – wenigstens in Asien. Denn dort, im subtropischen warmen Klima, wuchsen Hanfsorten mit einem hohen Gehalt an psychoaktivem THC (Tetrahydrocannabinol) heran. Entsprechend hoch war auch der mit dem Konsum verbundene Rauschzustand. Erst moderne Züchtungsmethoden kehrten das Verhältnis beim heutigen Cannabis Indica um. Heute überwiegt im „indischen Hanf“ das medizinisch genutzte Was ist CBD (Cannabinoide), das keinen Rauschzustand erzeugt.
Aufgrund der psychoaktiven Eigenschaften wurde Cannabis in einigen Kulturen eine heilige, magische Wirkung zugeschrieben. So in der vedischen Kultur Indiens. Dort wurde Cannabis zur Meditation genutzt und diente als rituelle Opfergabe für den Gott Shiva.
Cannabis als Medizin – erste schriftliche Zeugnisse
Erstmalig findet Cannabis als Medizin im chinesischen Kräuterbuch Pen Tsao Erwähnung. Es soll im Jahr 2737 vor Christus von Kaiser Shennong verfasst worden sein. Darin heißt es unter anderem, dass das Kraut Yin und Yang ins Gleichgewicht bringe und gesund für alle Organe sei. Der Genuss des Krautes verleihe außerdem dem Geist Flügel und erlaube die Kommunikation mit den Göttern. Offenbar war dem chinesischen Herrscher auch die psychoaktive Wirkung von Cannabis nicht entgangen.
Ebenso spielt Cannabis in der Jahrtausende alten Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM)seit jeher eine wichtige Rolle. Cannabis zählt in der TCM zu den 50 grundlegenden Heilkräutern der fernöstlichen Heilkunde. Sie ordnet Cannabis Organen wie Milz, Dickdarm und Magen zu.
Auch im heutigen Indien wurden Blüten, Blätter und Samen der Hanfpflanze lange vor unserer Zeitrechnung zu medizinischen Zwecken genutzt. Cannabis als Medizin findet bereits im heiligen Buch Atharvaveda Erwähnung – einer hinduistischen Textsammlung, die aus dem 2. Jahrtausend vor Christus stammen soll. In Indien trägt Cannabis nicht umsonst bis heute den Beinamen „Tröster im Kummer“. Weitere schriftliche Quellen von der medizinischen Nutzung des Hanfs stammen aus dem vorchristlichen Mesopotamien und Ägypten. Noch heute gilt Cannabis in vielen Kulturen als Universalmedizin.
Cannabis hält Einzug in die westliche Welt
Im Laufe der Jahrhunderte verbreitete sich die Kunde vom heilsamen Kraut über die eurasische Steppe und Persien bis in den gesamten Mittleren Osten. Von dort aus brachten europäische Forschungs- und Handlungsreisende im 17. Jahrhundert erstmals Cannabis nach Europa mit. Allerdings maßen sie der Pflanze offenbar keine große Bedeutung als Heilpflanze zu. Das sollte sich erst im 19. Jahrhundert ändern.
Nutzung von Cannabis in Europa
In Europa beschränkte sich die Nutzung von Cannabis lange auf die Herstellung von allerlei Textilien, reißfesten Seilen, Tauen und Segeln. Deshalb wussten gerade Seefahrernationen die robusten Fasern der Hanfpflanze zu schätzen. Gelegentlich dienten Hanfsamen auch als Nahrung. Frühe archäologische Funde von Hanfsamen deuten darauf hin, dass bereits zu Beginn der christlichen Zeitrechnung im Rheinland und in Hessen Hanf angebaut wurde. Allerdings handelte es sich dabei um eine Hanfsorte, die nur sehr wenig Rausch erzeugendes THC enthielt. Das hat vor allen Dingen mit dem Klima zu tun. Denn in den kühlen Regionen Mitteleuropas beheimatete Hanfsorten bildeten deutlich weniger THC-reiches Harz aus als die warmer Klimazonen. Entsprechend anders wurde die Pflanze auch genutzt.
Cannabis als Medizin in Deutschland
Erst im Mittelalter tauchten in Deutschland Beschreibungen über den medizinischen Gebrauch von Cannabis auf. Zu jener Zeit lagen Kräuterwissen und Heilkunde vor allen Dingen in den Händen von Nonnen und Mönchen. Kein Wunder also, dass zunächst in klösterlichen Kräuterbüchern über die Heilkraft von Cannabis berichtet wurde. Dazu gehören auch die Abhandlungen der viel zitierten Benediktinerin und Kräuterfrau Hildegard von Bingen aus dem 12. Jahrhundert. Sie widmete in ihren Schriften auch Cannabis Aufmerksamkeit. Hildegard von Bingen schrieb dem Hanf eine heilsame und schmerzstillende Wirkung zu – vor allem dem Magen und seinen Verdauungssäften tue das Kraut gut. Ab dem 16. Jahrhundert war Cannabis aus den Kräuterbüchern von Heilkundlern und Gelehrten nicht mehr wegzudenken. Immer wieder fand Cannabis in den verschiedensten Abhandlungen Erwähnung – ob beim englischen Apotheker John Parkinson, in Otto Brunsfels Kräuterbuch oder beim Botaniker Leonhart Fuchs. Von einer breiten Verwendung von Cannabis als Medizin war man allerdings noch weit entfernt. Das sollte sich jedoch bald ändern.
Pioniere der medizinischen Anwendung
Im 19. Jahrhundert begann der unaufhaltsame Siegeszug von Cannabis als Medizin. Das war vor allen Dingen zwei emblematischen Persönlichkeiten zu verdanken: Dem deutschen Botaniker und Pharmakologen Nees von Esenbeck und dem schottischen Arzt und Wissenschaftler Sir William Brook O’Shaughnessy. Nees von Esenbeck beschrieb um 1830 erstmals in allen Einzelheiten die medizinische Wirkung von Cannabis Indica.
Wahren Pioniergeist jedoch bewies der wissbegierige Schotte. Er reiste kurzerhand selbst nach Indien und studierte für längere Zeit vor Ort die medizinische Verwendung von Cannabis in all ihren Facetten. Daraus entstand eine 1839 während seines Aufenthalts im indischen Subkontinent verfasste Schrift, in der er über seine Erfahrungen und Erkenntnisse berichtete. Überzeugt von der Heilkraft des berauschenden Krautes führte er sogar selbst Studien an Mensch und Tier durch, um die Wirksamkeit zu belegen. Immer wieder konnte er die stimmungsaufhellende und appetitanregende Wirkung nach dem Konsum von Cannabis konstatieren.
Entwicklung zum gefragten Allheilmittel
Die Ausführungen des schottischen Arztes fanden in der Fachwelt große Beachtung. Vor allen Dingen in Europa und Amerika gaben seine Forschungen den Startschuss für die breite Verwendung von Cannabis als Medizin. Überall wurde auf Hochtouren an der Entwicklung von Tinkturen und Ölen gearbeitet, die bei allerlei Erkrankungen und Beschwerden Linderung versprachen. Cannabis war endgültig in der westlichen Medizin angekommen.
Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Nachfrage nach Cannabis als Medizin in Amerika und in Europa Fahrt auf. Die Begeisterung kannte keine Grenzen. Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Cannabis das meistverkaufte Medikament in den Apotheken. Jedes zweite Arzneimittel, das über den Apothekentisch ging, enthielt Cannabis. Bald waren über 100 Medikamente auf Cannabisbasis auf dem Markt.
Auch vor Kleinkindern machte die Begeisterung über die heilsame Wirkung des Krautes nicht halt. Sie erhielten Cannabistinktur als mildes Schlafmittel und schlummerten selig hinweg. Eine damals auch bei Kindern beliebte Süßigkeit bestand aus Ahornsirup und Cannabis.
Im 19. Jahrhundert wurden Cannabisprodukte hauptsächlich bei diesen Beschwerden eingesetzt:
- Schlaflosigkeit
- Angstzustände
- Gelenkentzündungen
- Migräne
- Appetitlosigkeit
- Muskelkrämpfe und Epilepsie
- Magenschmerzen
- Asthma
Cannabis – auch anderweitig genutzt
Doch Cannabis wurde auch noch zu anderen Zwecken verwendet. So half es Soldaten, die im Deutsch-Französischen Krieg 1870 – 1871 an der Front kämpften. Das stimmungsaufhellende Kraut verbesserte die Kampfmoral, sorgte für ein besseres Durchhaltevermögen und half, schreckliche Kriegserlebnisse besser zu bewältigen. Cannabis diente sogar als Tabakersatz – denn es war wesentlich günstiger zu bekommen als der damals teure Tabak. Aus dieser Zeit stammt der gelegentlich noch genutzte Begriff Knaster, der gemeinhin Tabakersatz bezeichnet. Der lautmalerische Begriff ist auf das charakteristische „Knastern“ des Cannabiskrauts in der Pfeife zurückzuführen.
Cannabis – ein Verbot setzt sich durch
Das 20. Jahrhundert läutete langsam das Ende von Cannabis zur medizinischen Nutzung ein. Besonders in den USA wurde das Heilkraut mehr und mehr diskreditiert – vor allem von staatlicher Seite. Auch die entstandene Prohibitionsbewegung für ein Verbot der „gefährlichen Droge“ wurde durch staatliche Propaganda unterstützt. Nicht zuletzt trug auch die forcierte Entwicklung von synthetisch erzeugten Medikamenten wie Aspirin zur Verdrängung der nicht standardisierten Naturprodukte bei – zum Nutzen der Pharmaindustrie. Auf der internationalen Opium-Konferenz, auf der auch die USA vertreten sind, wird 1925 ein weltweites Verbot von Cannabis beschlossen. 1929 wird dieses Verbot schließlich auch in Deutschland umgesetzt. In die Liste der Betäubungsmittel wurde Cannabis allerdings hierzulande erst 1972 aufgenommen.
Todesurteil für die Hanfindustrie
Mit dem Verbot von Cannabis ist der Niedergang von Hanf besiegelt. Denn vom Verbot war auch Nutzhanf betroffen – das versetzte der Hanfindustrie den endgültigen Todesstoß. Hanf hatte bereits ab dem 18. Jahrhundert als Lieferant von Fasern zusehends an Bedeutung verloren. Vor allen Dingen die Mechanisierung der Baumwollspinnerei trug dazu bei. Die meisten Stoffproduzenten gaben nun der Baumwolle den Vorzug. Ebenso wurden Segelschiffe mehr und mehr durch Dampfschiffe ersetzt. Auch in der Papierproduktion spielte Hanf Mitte des 19. Jahrhunderts kaum noch eine Rolle. Dafür hatte ein neues Verfahren zur Gewinnung von Zellulose aus Holz gesorgt, die künftig als Grundstoff von Papier diente.
Von der Protestdroge zur Freizeitdroge
Fortan machte Cannabis nur noch als Droge Schlagzeilen – der medizinische Nutzen war in der westlichen Welt fast völlig in Vergessenheit geraten. Seine höchste Verbreitung als Droge erreichte Cannabis mit dem Beginn der Studentenbewegung in den 60er Jahren. Cannabis zu konsumieren war Teil eines Aufbegehrens gegen das spießige Bürgertum und seinen konservativen Lebens- und Politikstil. Doch auch nach den wilden Sechzigern war und ist der Konsum von Cannabis trotz bestehenden Verbots weit verbreitet.
Die Geschichte des Cannabis – Terra X Natur & Geschichte
Cannabis im Imagewandel
Nicht erst seit der Zulassung von Cannabis als Medizin im März 2017 ist die Diskussion um die Nutzung als medizinische Heilpflanze wieder aufgeflammt. Doch offensichtlich hat die Tatsache, dass aktuell rund 50.000 Menschen hierzulande Cannabis als Medizin auf Krankenschein erhalten, zu einem Umdenken beigetragen. Derzeit vollzieht sich in breiten Bevölkerungsschichten ein Sinneswandel, der Cannabis langsam aus der Schmuddelecke der gefährlichen Droge herausholt.
Noch immer haben große Teile der Bevölkerung Vorbehalte gegen die Verwendung von Cannabis als Medizin. Doch es machen sich immer mehr Menschen die positiven Eigenschaften der in Cannabis enthaltenen Cannabinoide zunutze. Und die Gemeinde derer, denen Cannabis als CBD-Produkt bereits zu mehr Gesundheit und Lebensqualität verholfen hat, wächst täglich. Wie es scheint, sind wir auf dem besten Wege, Cannabis wieder die Geltung zu verschaffen, die ihm gebührt. Denn Cannabis gehört seit mehr als 10.000 Jahren zur Kulturgeschichte der Menschheit.
Weitere Informationen zu Cannabis, Quellen
- Cannabis und Cannabinoide als Arzneimittel (Wikipedia)
- Geschichtliche Daten zu Hanf (Hanfhaus)
- A Brief History Of Cannabis (Vimeo)